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Candidate Experience Update: Recruiting an der Zielgruppe vorbei

Wenn die positive Candidate Experience ins Stocken gerät: Der Bewerber beginnt zu zögern

Candidate Experience bleibt ein wesentlicher Aspekt im Bewerber-Marketing, bringt es doch den Perspektivenwechsel in die Sicht der Zielgruppe. Heute ergänzen zwei aktuelle Stolperstein-Beispiele den früheren Blog-Beitrag. Ein Unternehmen, das zu all seinen Zielgruppen ein vertrauensvolles Verhältnis unterhält (oder aufbauen will), beschäftigt sich auch mit den Bewerber-Erfahrungen vor, im und nach dem Auswahlprozess: zusammengefasst im Schlagwort Candidate Experience. Ob ein ausgefeiltes Employer-Branding-Konzept dahinter steht oder ein Arbeitgeber einfach sicherstellen will, dass wie mit jedem Geschäftspartner so auch mit Bewerbern auf Augenhöhe kommuniziert wird.

Candidate Experience Fail #1: Ein Vertrauensverhältnis aufbauen wollen – aber den Bewerber als kostenlosen Berater nutzen

Jochen Mai brachte letzte Woche im Job- und Karriereblog karrierebibel.de ein Negativbeispiel: Ein potenzieller Arbeitgeber nutzt seine Bewerber als kostenlose Berater aus und stellt als Anreiz eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in Aussicht. Zum konkreten Fall: Da erwartete die ausschreibende Institution, der Städtetag Baden-Württemberg, dass der Bewerber – nach Einreichen der üblichen Unterlagen – zur „weiteren Einschränkung der Auswahl und um den Bewerber besser kennenzulernen“ doch noch Folgendes einreichen möge:

  • eine Beurteilung der aktuellen Website
  • Aufzeigen von Optimierungspotenzialen eben jenes Internetauftritts
  • dazu eine Erläuterung, wie Social Media in die Kommunikation eingebunden werden könne
  • und drei schriftliche Arbeitsproben, die vorzugsweise zu den Mitgliedern passen mögen

Der Bewerber bewies Haltung und schickte eine Absage. Das Vorgehen, das an die Unsitte von kostenlosen Pitches erinnert, legte er daraufhin Jochen Mai offen. Mai stellte fest, dass ein solches Vorgehen wohl immer mehr Eingang auf dem Arbeitsmarkt finde. Das Schreiben an den Bewerber gibt es im Wortlaut hier im Blog-Beitrag von Jochen Mai zu Bewerbern als Berater.

So kann noch ein Schuh daraus werden

Positiv gewendet ließe sich aus dem unsäglichen Vorgehen des ausschreibenden Unternehmens zukünftig etwas machen: Die Bewerber, die mit den typischen Bewerbungs-Unterlagen überzeugt haben, werden wie üblich zum Gespräch eingeladen. Eine nächste Stufe könnte in der Konzeption eines Auswahltages (ob Assessment Center genannt oder nicht) bestehen, in dem die Bewerber in konkreten Übungen zeigen können, was in ihnen steckt. Und die Wunschliste oben ließe sich für die Planung eben jener Aufgaben heranziehen. Das trüge zu einer positiven Candidate Experience bei, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Das würde jedoch bedeuten, dass zum einen Kapazitäten für den Auswahltag geschaffen werden müssen und zum anderen rein zahlenmäßig ein geringerer Output an Verbesserungsideen, Social-Media-Konzeptskizzen u.ä. zu erwarten ist. Da zieht es der Städtetag Baden-Württemberg wohl vor, sich eine Menge Kommunikationsberatung frei Haus liefern zu lassen – und bezahlt dennoch: per Image-Schaden über kununu, Word of Mouth und Blog-Beiträge wie diesen hier.

Candidate Experience Fail #2: Auf Augenhöhe kommunizieren wollen – aber aus Nikolaus wird plötzlich Herr Mallen*

Weniger unsäglich, eher unprofessionell ist das nächste aktuelle Beispiel. In der Anzeige ist schon einiges richtig gemacht: Ansprechpartner genannt, Aufgabengebiet und Anforderungsprofil konkret formuliert mit relativ wenig Worthülsen, Online-Bewerbungsformular kurz und technisch einwandfrei mit gut integrierten Datenschutzbestimmungen. Dazu ein lockeres Du in der Ansprache: „Und wir suchen Menschen, die zu uns passen. Vielleicht bist Du ja einer davon.“

Dann trifft die automatische Eingangsbestätigung ein: „Hallo Herr […], vielen Dank für Ihre Bewerbung als […] und Ihr Interesse an […].“ Eben noch kameradschaftliches Du, jetzt wird einen Gang runtergeschaltet. Gleiches gilt für weitere E-Mails, immer per Sie. Warum? Weil das automatisierte Bewerbermanagement nicht auf die Zielgruppe(n) und die bisherige Kommunikation abgestimmt wurde. Irritation ist die Folge. Und das wohlige Gefühl, den beruflichen Weg hoffentlich bald in dieser so kollegialen Gemeinschaft fortzusetzen, weicht dem Eindruck, nur ein Datensatz zu sein, der automatisiert abgearbeitet wird.

Die Lösung liegt denkbar nahe: Den Bewerbungsprozess zu Ende denken. Dann klappt’s auch mit der Candidate Experience.

* Namen geändert